Publikation

Bibliotheken als Dritte Orte für Kulturelle Bildung und Demokratiebildung

10.03.2025

Das „Wissen geht raus kooperiert“ am 25. Februar 2025 widmete sich dem Thema „Baustein für eine demokratische Gesellschaft. Bibliotheken als Dritte Orte für Kulturelle Bildung und Demokratiebildung in der kommunalen Bildungslandschaft.“

Unsere Impulsgeberinnen Katja Müller, Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei in Jena, Melanie Fechner, Leitung der Büchereiabteilung bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, und Dr. Katja Thiele, Referentin für Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Fokus auf soziale Gerechtigkeit bei Germanwatch e.V., nahmen drei Perspektiven in den Blick: eine wissenschaftliche, eine ländliche und eine urbane.

Eine demokratische (Stadt-)Gesellschaft braucht Dritte Orte – als Orte der Teilhabe, für kulturelle sowie demokratische Aushandlungsprozesse, des Nicht-Konsums, des Ausprobierens und Entdeckens. Bibliotheken können diese Dritten Orte sein, Nachbarschaften einen Raum der Begegnung bieten und so auch Integration, Teilhabe und Miteinander fördern.

Um Bibliotheken als Dritte Orte zu stärken, braucht es Kommunen und Kreise, die die Voraussetzungen mit entsprechender Infrastruktur (Räume vor Ort oder mobile Formate) und Ressourcen für bedarfsgerechte Angebote schaffen. In Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen können Inhalte entwickelt und an den unterschiedlichen Zielgruppen sowie örtlichen Gegebenheiten ausgerichtet werden.

Erste Erkenntnisse aus unserem Format

Dritte Orte sind neben dem Zuhause (erster Ort) und dem Arbeitsplatz bzw. der Schule oder Kindergarten (zweiter Ort) Orte der Begegnung, des Austauschs, die niedrigschwellig und konsumfrei zugänglich sind.

Um Bibliotheken zu Dritten Orten zu entwickeln, brauchen die Orte zum einen eine gewisse Aufenthaltsqualität. D. h. es braucht Räume, in denen sich getroffen werden kann und die leicht zugänglich sind. Die Ausstattung sollte dazu anregen, kreativ zu werden, etwa einen Bastel-/Werkstattbereich, einen Bereich zum Spielen von Gesellschaftsspielen oder Räume zur freien Gestaltung. Zur räumlichen Umgestaltung braucht es Finanzierungsmöglichkeiten über den Haushalt oder Fördermittel (Land, Bund, EU). Zum anderen brauchen die Mitarbeitenden Gestaltungsspielraum, um Angebote für unterschiedliche Zielgruppen auszuprobieren. Um das erweiterte Portfolio abdecken zu können, sollten Bibliothekar:innen entsprechend weiterqualifiziert werden und durch weitere Fachkräfte (etwa Medienpädagog:innen oder Sozialpädagog:innen) im Sinne eines Multiprofessionellen Teams, ergänzt werden.

Als Ort, der von vielen Zielgruppen aufgesucht wird, sind Bibliotheken Orte der Begegnung und können eine besondere Rolle für demokratische Aushandlungsprozesse einnehmen. Hier nutzen Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen – etwa Ruhe für Menschen, die Lesen wollen, Vorlesen für Kleinkinder, Experimentieren im Makerspace für Jugendliche – einen gemeinsamen Raum. Um Konflikte zu vermeiden, muss beispielsweise die gemeinsame Nutzung geplant (Phase 0), ausgehandelt und begleitet (Phase 10) werden. Gleichzeitig können hier konkrete (Bildungs-)Angebote mit Bezug zu Demokratie und demokratischem Lernen gemacht werden.

Bibliotheken sind ebenso Orte kultureller Bildung, da sie per se Berührungspunkte mit verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen und Medien bieten. Auch hier bieten Bibliotheken als Orte gute Strukturen für konkrete Angebote der kulturellen Bildung.

Für die Entwicklung der Angebote sollten lokale Akteur:innen der Zivilgesellschaft eingebunden werden, um nah an den Bedarfen zu sein. Insbesondere in ländlich geprägten Regionen bietet es sich an, das fahrbibliothekarische Angebot an lokale Initiativen und bestehende Anlaufstellen anzudocken, wie bspw. Touristeninformationen, der VHS oder einem Familienzentrum.

Trotz Entwicklung der Bibliothek zu einem Dritten Ort, muss das Kerngeschäft der Bibliothek, d. h. Lese- und Sprachförderung sowie Medienausleihe erhalten bleiben, um weiterhin Kernkompetenzen zu stärken. Dies kann durch gute digitale Prozesse, etwa Selbstausleihe- und Rückgabe oder digitale Anmeldeverfahren unterstützt werden, sodass neben dem Tagesgeschäft auch Zeit zur Gestaltung und für innovative Angebote bleibt.

Das Konzept des „Handabdrucks“ setzt, ähnlich wie das kommunale Bildungsmanagement, auf der strukturellen Ebene an und ermutigt, Veränderungen in gemeinsam zu denken und in Kooperation anzugehen. Bibliotheken werden idealerweise in Verantwortungsgemeinschaft, bestehend aus der zuständigen Verwaltung, den Mitarbeitenden vor Ort sowie der lokalen Zivilgesellschaft, entwickelt und betrieben. Weitere Informationen zum Konzept und Handlungshinweise finden Sie hier.

Unsere Impulsgeberinnen

Katja Müller ist Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei in Jena. Tradition trifft Innovation: Im März 2024 konnte die Stadtbibliothek Jena nach fast 8-jähriger Planungs- und Bauzeit eröffnet werden. Mit dem großen Ziel, zum Einzug den Wandel von einer Bibliothek der Bücher und Medien zu einer Bibliothek der Menschen und deren Begegnung vollzogen zu haben, durchlief die Bibliothek neben der Raumplanung der Funktionsbereiche auch einen Veränderung- und Organisationsentwicklungsprozess, der die inhaltliche Neuausrichtung der Bibliothek zur Folge hatte. Weitere Informationen: Ernst-Abbe-Bücherei | Eine Einrichtung von JenaKultur

Melanie Fechner ist Leitung der Büchereiabteilung bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. Die Büchereizentrale mit Standorten in Rendsburg und Flensburg ist das Dienstleistungszentrum hinter den rund 150 öffentlichen Bibliotheken im Land Schleswig-Holstein. Sie ist u.a. für die Fahrbüchereien und die konzeptionelle Weiterentwicklung der Bibliotheken verantwortlich. Weitere Informationen: Dienstleistungszentrum der Büchereien | Büchereizentrale

Dr. Katja Thiele ist Referentin für Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Fokus auf soziale Gerechtigkeit bei Germanwatch e.V. Zuvor beschäftigte Sie sich in Theorie und Praxis damit, welche Begegnungsorte wir für eine transformative Bildung brauchen. Bibliotheken als Dritte Orte waren hier ein besonderer Forschungsschwerpunkt. Weitere Informationen: Dr. Katja Thiele | Germanwatch e.V. // Öffentliche Bibliotheken zwischen Digitalisierung und Austerität bei transcript Verlag

Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen der Fachstelle Kulturelle Bildung und der Fachstelle Bildung | Entwicklung | Raum | Integration | Demokratie.